Katja Pähle zur heutigen Aktuellen Debatte des Landtages:
16. September 2021

„Wir haben die Chance, den sozial-ökologischen Umbau der Industriegesellschaft erfolgreich zu gestalten.“

In ihrer Rede zur heutigen Aktuellen Debatte hat die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle im Landtag von Sachsen-Anhalt deutlich Behauptungen der Opposition widersprochen, es handele sich um eine vermeintliche „Rotstift-Koalition“: „Ganz im Gegenteil: Mit der Entscheidung für das Corona-Sondervermögen haben wir uns klar dafür entschieden, die Folgen der Pandemie eben nicht zulasten des laufenden Haushalts zu bewältigen. Wir lagern die Kosten für coronabedingte Investitionen und Leistungen vielmehr aus, und wir erhalten so den Spielraum für die Fortführung begonnener Reformvorhaben und für neue Innovationen. Und bei diesem Sondervermögen geht es auch nicht um „lediglich 1,5 Milliarden Euro“, sondern um alle coronabedingten Ausgaben in ihrem vollen Umfang.“

Auch der Kritik an den Vorhaben im Bereich des Klimaschutzes widersprach sie: „Die neue Koalition wird sich als Koalition des Klimaschutzes erweisen. Das Klima verhandelt nicht, und vor den international verabredeten Klimazielen wird sich niemand drücken können. Und natürlich wird es in diesem bundesweiten Rahmen kein Aufschieben des Kohleausstiegs nach hinten geben. Der Kohlekompromiss steht.“

Nachfolgend der vollständige Redetext. Es gilt das gesprochene Wort.

„Als wir im November 2019 in diesem Haus den Termin für die Landtagswahl beschlossen haben, da hat wohl niemand geahnt, dass wir mit der Regierungsbildung so nah an eine Bundestagswahl heranrücken, die mit solcher Spannung erwartet wird, deren Ausgang derart offen ist und auf die so viele Menschen so viele Hoffnungen richten.

Deshalb hat die Linke durchaus recht, dass sie im Zusammenhang diskutieren will, wie im Bund und wie im Land regiert wird, nur: Der Zusammenhang, den Sie, sehr geehrte Frau von Angern, herstellen, ist völlig falsch. Denn die Koalition, die wir für Sachsen-Anhalt mit CDU und FDP gebildet haben und die heute mit der Regierungsbildung ihre Arbeit aufgenommen hat, ist keine Rotstift-Koalition.

Ganz im Gegenteil: Mit der Entscheidung für das Corona-Sondervermögen haben wir uns klar dafür entschieden, die Folgen der Pandemie eben nicht zulasten des laufenden Haushalts zu bewältigen. Wir lagern die Kosten für coronabedingte Investitionen und Leistungen vielmehr aus, und wir erhalten so den Spielraum für die Fortführung begonnener Reformvorhaben und für neue Innovationen.

Und bei diesem Sondervermögen geht es auch nicht um „lediglich 1,5 Milliarden Euro“, wie Sie schreiben – man kann trefflich darüber streiten, ob das bei dieser Größenordnung eine angemessene Formulierung ist –, sondern um alle coronabedingten Ausgaben in ihrem vollen Umfang. Wie hoch sie tatsächlich zu veranschlagen sind, werden wir im Rahmen der Haushaltsaufstellung schon bald sehen.

Die Bildung des Sondervermögens macht es unter anderem möglich, eine der wichtigsten Aufgaben nach der Corona-Pandemie anzupacken, nämlich die Stärkung unserer Krankenhäuser und des

öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die von Petra Grimm-Benne mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen gemeinsam entwickelten Planungen können jetzt umgesetzt werden.

In der Krankenhauslandschaft Sachsen-Anhalts wird in einigen Jahren vieles anders aussehen, weil wir neue Wege der Verbindung von stationärer und ambulanter Versorgung gehen. Aber: Die flächendeckende Versorgung wird erhalten und gestärkt, weil in der Pandemie alle erkannt haben, wie wichtig diese gesellschaftliche Aufgabe ist. Besonders freue ich mich, dass wir im Koalitionsvertrag die Rückfalloption verankert haben, dass im Notfall ein privatisiertes Krankenhaus auch rekommunalisiert werden kann, wenn der Betreiber die Versorgungsleistung nicht mehr sicherstellen kann oder will, und dass das Land dann hilft. Die Stärkung des Gesundheitswesens ist eine klare Weichenstellung für die Daseinsvorsorge, für die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dieser Koalition stehen.

Die Linke schürt mit ihrem Antrag ungerechtfertigt Sorge um die soziale Lebensqualität in Sachsen-Anhalt. Aber auch das konnten durch Corona alle lernen: Soziale Arbeit, Jugendhilfe, Hilfen für Familien – all das hat einen großen Stellenwert für die Bewältigung einer solchen Krise. Ein stabiles Netz sozialer Arbeit macht ein Land krisenfest. Wir stehen dafür, dass dieses Netz nach der Pandemie erhalten und gefestigt wird – von wegen „Rotstift“! Und im Bund?

Wenn aus dem, was heute noch Umfragen sind, Mehrheiten bei der Wahl werden, dann kann ich die von der Linken hier geschürten Bedenken nicht ansatzweise teilen. Olaf Scholz hat schon als Finanzminister in der Pandemie bewiesen, dass er das, was nötig ist, auch tut. Deutschland hat in weit größerem Maße als andere Länder in Europa finanziell gegen die Krise angesteuert – und wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung anschaut, sieht man: Es hat sich gelohnt.

Wir stehen vor der großen Chance, dass Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Stärke den größten technologischen, ökonomischen und infrastrukturellen Umbau seit über hundert Jahren erfolgreich bewältigt: den sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, hin zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft.

Wir stehen vor der Chance, dass durch die dafür nötige technische Innovation neues Wachstum und neue Arbeitsplätze entstehen. Wir stehen vor der Chance, diesen Prozess so zu gestalten, dass alle Menschen am Klimaschutz und an der Verkehrswende teilhaben können und dass insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht überfordert werden. Wir stehen vor der Chance, dass mit der vor uns liegenden Bundestagswahl die Chancen entstehen, die es möglich machen, diesen Umbau planvoll, schnell und konsequent umzusetzen. Die SPD räumt diesem Ziel höchste Priorität ein – auch wenn es Mitbewerber gibt, die das nicht wahrhaben oder nicht zugeben wollen.

Und wir in Sachsen-Anhalt werden unseren Beitrag zu diesem Ziel leisten. Unser Land muss sich nun wahrlich nicht verstecken, was erneuerbare Energie angeht: Photovoltaik, Windkraft, Wasserstoff – Sachsen-Anhalt war und ist immer vorne mit dabei, wenn es um Innovation, Produktion und Anwendung geht. Alle Landesregierungen haben diese Entwicklungen unterstützt, auch wenn es Rückschläge gab.

Und ich sage ganz bewusst, auch angesichts kritischer Äußerungen zum Koalitionsvertrag in den letzten Tagen oder heute: Die neue Koalition wird sich als Koalition des Klimaschutzes erweisen, aus drei ganz einfachen Gründen: erstens aufgrund der objektiven Notwendigkeit. Das Klima verhandelt nicht, und vor den international verabredeten Klimazielen wird sich niemand drücken können; zweitens weil die Bundesländer im Geleitzug einer bundesweiten Entwicklung unterwegs sein werden, mit dem Bundeskanzleramt als Lokomotive der Klimawende. Und natürlich wird es in diesem bundesweiten Rahmen kein Aufschieben des Kohleausstiegs nach hinten geben. Der Kohlekompromiss, den im vergangenen Jahr auch die grüne Fraktion in diesem Haus abgefeiert hat, steht; und drittens deshalb, weil in der neuen Landesregierung die Verantwortung für diese Aufgabe in sozialdemokratischen Händen liegt. Armin Willingmann wird dafür Sorge tragen, dass Sachsen-Anhalt auch künftig vorne mit dabei ist – und dass wir unsere ehrgeizigen Ziele zur CO2-Reduzierung umsetzen. Seine Erfahrungen mit der Rolle der Wissenschaft als Innovationsmotor, mit der Ansiedlung von Zukunftstechnologien und mit der Gestaltung des Strukturwandels kommen ihm dabei zugute.

Ein ganz wichtiger Teil der klimapolitischen Vorhaben, die sich im Koalitionsvertrag finden, sind die Bausteine für eine Verkehrswende. In einem Flächenland mit oft dünner Besiedelung den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen, ist eine Mammutaufgabe. Deshalb ist es ein guter Ansatz, ganz konkrete Modellprojekte zu erproben und auf ihre Praxistauglichkeit in unterschiedlichen Regionen abzuklopfen. Das sollte schnell geschehen, damit dann auch der Transfer in die Fläche erfolgreich umgesetzt werden kann.

Das alles sind neue Chancen für unser Land. Und wenn wir es richtig anstellen, dann werden aus diesen neuen Chancen neue Arbeitsplätze – und neue Gründe, nach Sachsen-Anhalt zu kommen und hier zu bleiben.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, weil noch neun Tage Wahlkampf vor uns liegen:

Wir beobachten seit langem mit großer Sorge, wie sich Hass und Menschenverachtung in Teilen der politischen Auseinandersetzung breit machen. Beleidigungen und Drohungen im Netz sind schon schlimm genug. Dass aber jetzt auf Plakaten einer Neonazi-Partei mit der Aufschrift „Hängt die Grünen!“ zum Mord an politischen Gegnern aufgerufen wird, ist der Tiefpunkt einer brandgefährlichen Entwicklung, die aufgehalten werden muss, wenn wir den inneren Frieden in unserem Land erhalten wollen.

Wir haben in diesem Haus oft zur Zivilcourage aufgerufen, um die Demokratie zu verteidigen. Dafür braucht es aber nicht nur mutige Bürgerinnen und Bürger, dafür braucht es auch Richter, die ihres Amtes walten und sagen: Jetzt ist Schluss! Wir sind an dieser Stelle selbstverständlich solidarisch und stehen als Demokratinnen und Demokraten zusammen.

Und weil es an dieser Stelle gut passt, möchte ich zum Abschluss einen Absatz aus der Präambel des Koalitionsvertrages zitieren:

„Demokratie lebt von offenen und produktiven Debatten. Wir sichern allen, die sich an demokratischen Grundwerten orientieren, einen fairen Wettstreit im Landtag und in der Öffentlichkeit um die besseren Konzepte zu und werben zugleich für das gemeinsame Eintreten für unsere Demokratie über Parteigrenzen hinweg.“

Dafür stehen wir als SPD sowohl im Umgang mit unseren Koalitionspartnern als auch im Meinungsstreit mit der demokratischen Opposition. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen guten Start in die neue Legislaturperiode und viel Erfolg für unser Land!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.“