Landtag zieht Bilanz der Wahlperiode
21. April 2021

Katja Pähle: „Was unter den Bedingungen von Kenia erreichbar war, das haben wir erreicht“

Der Landtag von Sachsen-Anhalt diskutiert heute über die Bilanz von fünf Jahren Kenia-Koalition. In der Debatte hebt die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle hervor: Was unter den Bedingungen von Kenia erreichbar war, das haben wir erreicht. Und für die Bereiche, die in der Landesregierung unter sozialdemokratischer Verantwortung geführt werden, bedeutet das in vielen Punkten Fortschritte, die sich sehen lassen können.

Die Rede im Wortlaut:

Die Zeit der Kenia-Koalition geht zu Ende.

Und nein, das waren keine fünf verlorenen Jahre. Das waren fünf notwendige Jahre. Sie waren notwendig, weil die Wählerinnen und Wähler 2016 eine Wahlentscheidung getroffen haben, die im Ergebnis bedeutete, dass nur drei Parteien hier im Landtag gemeinsam eine demokratische Mehrheit bilden konnten, nämlich CDU, SPD und Grüne.

Die AfD hat an jedem einzelnen Tag in diesen fünf Jahren bewiesen, dass sie – wegen ihrer politischen Grundhaltung ebenso wie wegen ihrer Vorschläge im Einzelnen – nicht den geringsten Einfluss auf Regierungspolitik bekommen darf. Sie ist eine Gefahr nicht nur für Demokratie und Rechtsstaat, sondern auch – wie wir seit Beginn der Pandemie erleben mussten – für Gesundheit und Leben der Menschen.

Angesichts dieser politischen Ausgangslage war es die notwendige und, ich will das ausdrücklich unterstreichen, die richtige Entscheidung, eine Koalitionsregierung aus drei ganz unterschiedlichen Parteien zu bilden. Wir wollten angesichts der Herausforderung der Demokratie beweisen, dass Demokratinnen und Demokraten im Interesse des Landes zusammenwirken können, auch wenn das allen Beteiligten Rekordleistungen im Krötenschlucken und im Über-den-eigenen-Schatten-Springen abverlangen würde. Und wir haben bewiesen: Es geht.

Ich bedanke mich bei deshalb bei denen – in allen drei Parteien –, die in fünf Jahren konstruktiv daran mitgewirkt haben, dass diese Konstellation so lange gehalten hat und auch in schwierigen Situationen Kompromisse gefunden werden konnten.

Ich denke, niemand hat sich Illusionen darüber gemacht, wie groß die Gestaltungsmöglichkeiten in einer Koalition sind, in der so widerstrebende Interessen berücksichtigt werden müssen. Ich kann aber für meine Partei festhalten: Was unter den Bedingungen von Kenia erreichbar war, das haben wir erreicht. Und für die Bereiche, die in der Landesregierung unter sozialdemokratischer Verantwortung geführt werden, bedeutet das in vielen Punkten Fortschritte, die sich sehen lassen können:

  • Wir haben hier im Landtag in mehreren Schritten eine Neufassung des Kinderförderungsgesetzes verabschiedet, mit der Familien und Kommunen erheblich entlastet wurden. Damit wurde auch schon das Fundament dafür gelegt, die Elternbeiträge in der kommenden Wahlperiode ganz abzuschaffen.
  • Petra Grimm-Benne hat mit neuen Programmen dafür gesorgt, dass eine große Gruppe von Langzeitarbeitslosen wieder Teilhabe am Arbeitsmarkt bekommen hat.
  • In einem langen Dialogprozess mit den Trägern der Krankenhäuser ist der Krankenhausplan entstanden, den wir brauchen, um ein dauerhaft zukunftsfähiges, flächendeckendes System der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu gestalten. Für die notwendigen Investitionen gibt es damit die planerische Grundlage.
  • Wir haben dafür gesorgt, dass die Unterstützung von Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement einen hohen Stellenwert in Sachsen-Anhalt haben. Wie nötig das ist, hat nicht zuletzt der Anschlag von Halle gezeigt, über den wir heute noch einmal sprechen werden.

Diese Arbeit hat noch einmal erhebliche Rückenstärkung dadurch bekommen, dass wir gemeinsam – ich schließe an dieser Stelle die Linke in den Dank ausdrücklich mit ein – unsere Landesverfassung zu einer der modernsten in Deutschland gemacht haben und ihr eine eindeutig antifaschistische Ausrichtung gegeben haben. Was hier im Landtag geleistet wurde, ist heute beispielgebend für Verfassungsdiskussionen in anderen Parlamenten – wer hätte das gedacht?

  • Dank der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung durch Armin Willingmann gibt es in unserem Land endlich wieder große, strukturwirksame Industrieansiedlungsprojekte. Für den Weg in eine klimaschonende Wirtschaft und die dafür nötigen Innovationen ist unser Land gut gerüstet.
  • Wir haben mit Erfolg dafür gekämpft, dass der Ausstieg aus der Kohle einhergeht mit dem Einstieg in den Strukturwandel, der den Menschen im Revier eine verlässliche Zukunftsperspektive mit neuen, nachhaltigen Arbeitsplätzen bietet. Aber auch hier bleibt noch viel zu tun.
  • Wir haben eine Neufassung des Hochschulgesetzes verabschiedet, die mehr Demokratie möglich macht, die Gleichstellung von Frauen und Männern stärkt und die Gestaltungsspielräume der Hochschulen erhöht.
  • Wir haben – gegen viele Widerstände und im engen Kontakt mit Bürgerinitiativen aus dem ganzen Land – die Straßenausbaubeiträge abgeschafft.
  • Wir haben ein Azubi-Ticket eingeführt, mit dem wir Ausbildungsberufe ein ganzes Stück attraktiver gemacht haben und dafür gesorgt haben, dass jungen Menschen das ganze Land offensteht – jedenfalls nach der Pandemie. Und auch dieses Ticket verstehen wir nur als ersten Schritt, um öffentlichen Nahverkehr zu einer echten Alternative zu machen, und das flächendeckend.

Es gibt für uns also gute Gründe, mit Selbstbewusstsein darauf zu blicken, was Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dieser Koalition möglich gemacht haben. Und bei dieser Aufzählung habe ich noch gar nicht einbezogen, was die Arbeit der beiden SPD-geführten Ressorts seit Jahr und Tag mehr prägt als alles andere, nämlich der Kampf gegen die Pandemie. Auch wenn das morgen hier noch ausführlich erörtert werden wird, will ich an dieser Stelle unterstreichen: Was tagtäglich im Kampf gegen Corona geleistet wird, gehört – bei allen Schwierigkeiten – mit zur Erfolgsbilanz dieser Regierung. Allein schon der Fortschritt beim Impfen, den wir im Ranking der Bundesländer täglich ablesen können, zeigt das deutlich. Deshalb an dieser Stelle ganz ausdrücklich der Dank an Petra Grimm-Benne, an den Pandemiestab und an alle, die im öffentlichen Gesundheitsdienst ihren Einsatz leisten.

Ich will aber auch nichts schönreden. Und ich will nicht das ausblenden, was ich in Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern am häufigsten als Problem genannt bekomme. Wir haben uns mit dem Koalitionsvertrag darauf verständigt, Fehlentwicklungen der Vorjahre zu korrigieren und sowohl bei der Polizei als auch an den Schulen für die notwendigen Neueinstellungen zu sorgen. Bei der Polizei ist das schon in großem Maße gelungen, wie wir jüngst mit der Verabschiedung der frisch ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten in Aschersleben erleben durften. Anders an den Schulen. Auch wenn man in Rechnung stellt, wie schwierig die Suche nach neuen Lehrkräften insgesamt ist, müssen wir feststellen: Sachsen-Anhalt lässt immer noch junge Lehrerinnen und Lehrer ziehen, anstatt sie hier im Land zu binden.

Der Weg, der eingeschlagen wurde, um fehlende Lehrerinnen und Lehrer auszugleichen, nämlich die Kürzung der Stundenzuweisungen, war falsch. Was jetzt im Raum steht, nämlich das Abdrängen von Kindern in die Hauptschulausbildung, ist es erst recht. Sachsen-Anhalts Schulen sind schon geschwächt in die Pandemie gegangen, und sie kommen stark geschädigt wieder heraus. Diese Fehlentwicklungen zu korrigieren, wird eine der Hauptaufgaben der nächsten Wahlperiode sein.

Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich, hat Max Weber geschrieben. Noch nie war seit 1990 in Sachsen-Anhalt ein Brett so dick und so fest wie das Brett von Kenia. Aber wir haben in dieses Brett einige sehr markante Pflöcke gesetzt. Nach der Zeit der Kenia-Koalition werden neue Mehrheiten auch auf diese Erfolge aufbauen können.