Katja Pähle in der Landtagsdebatte zur Kinderarmut:
11. März 2021

„Armut durch Arbeit – das ist eine Fehlentwicklung unseres Wirtschaftssystems“

In der Debatte des Landtags von Sachsen-Anhalt über die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage zur Kinderarmut hob die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle heute die Bedeutung einer eigenständigen Kindergrundsicherung hervor – „ein Ziel, für das sich meine Partei im Bundestagswahlkampf an vorderster Stelle stark machen wird. Ich will aber deutlich herausstellen: Kinderarmut entsteht aus Familienarmut. Wenn wir Kinder vor Armut bewahren wollen, müssen wir dafür sorgen, dass ihre Eltern von ihrer Arbeit gut leben können.

Was bedeutet das konkret?

Das bedeutet konkret: höhere Mindestlöhne. Der Vorschlag der Bundesminister Olaf Scholz und Hubertus Heil, den Mindestlohn gesetzlich auf zwölf Euro anzuheben, ist aus meiner Sicht jetzt in der Krise genau der richtige Schritt.

Kampf gegen Armut bedeutet konkret: faire Löhne und Tarifbindung in allen Bereichen. Wieviel da im Argen liegt, sehen wir ganz praktisch an zwei Berufsgruppen, die unsere Gesellschaft in der Pandemie am Laufen halten:

  • die Pflegekräfte, die jetzt doch keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erhalten, weil die Caritas das blockiert hat – wie ich finde, eine beschämende Entscheidung;
  • und da sind die Paketzusteller, die uns gerade allen durch den Alltag helfen. Die Löhne und die Arbeitsbedingungen bei den Zustelldiensten sind nichts anderes als organisierte Armut durch Arbeit – und das bei übervollen Auftragsbüchern und großen Gewinnspannen der Versandunternehmen.

Wenn Menschen den ganzen Tag arbeiten, oft weit mehr als acht Stunden, und damit sich und ihre Familien nicht über die Runden bringen können, dann ist das eine dramatische Fehlentwicklung in unserem Wirtschaftssystem. Deshalb müssen wir gegensteuern. Und deshalb ist es auch fatal, dass es nicht gelungen ist, in dieser Legislaturperiode ein Tariftreue- und Vergabegesetz zu beschließen, weil das mit der CDU nicht möglich war – ein deutliches Zeichen, was trotz aller guten Erfolge der Regierung in dieser Koalition eben nicht geht.

Und Kampf gegen Armut bedeutet natürlich auch, Menschen aus der Dauerarbeitslosigkeitherauszuholen. Die Landesregierung hat das mit dem Ansatz von Teilhabe durch Arbeit erfolgreich getan, und sie zielt mit dem Programm ‚Familien stärken – Perspektiven eröffnen‘ darauf ab, jungen Menschen aus der fatalen Dauerschleife der sozialen Vererbung von Armut herauszuhelfen.

Ich setze sehr stark darauf, dass wir mit dem von der SPD vorgeschlagenen Bürgergeld die Sackgassen aufbrechen können, in denen viele Menschen im Hartz-IV-System steckengeblieben sind. Anreize, nicht Strafen sind der Schlüssel dafür, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Ich möchte zum Abschluss noch etwas klarstellen, weil mich schon Presseanfragen erreicht haben, ob nicht nach der Pandemie bei der Kinder- und Jugendarbeit gespart werden muss, um den Landeshaushalt zu sanieren. Nein, ganz im Gegenteil: Ein stabiles Netz sozialer Arbeit macht ein Land krisenfest. Gerade Kinder und Jugendliche werden nach der Pandemie Unterstützung brauchen, um in Elternhaus, Schule, Ausbildung zurechtzukommen. Wir stehen dafür ein, dass dieses Netz sozialer Arbeit auch nach der Krise erhalten und gefestigt wird.“