Aktuelle Debatte
28. September 2018

Holger Hövelmann: Die AfD tritt alles mit Füßen, was einen Rechtsstaat ausmacht. Und das kann man belegen

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am heutigen Freitag auf Antrag der AfD eine Aktuelle Debatte unter der Überschrift „Wittenberg und Köthen – zwei Tote, zweierlei Maß!“ geführt. In der Debatte erklärte der SPD-Abgeordnete Holger Hövelmann:

Es ist mir ein Rätsel, wie die sogenannte ‚Alternative für Deutschland‘ meinen kann, sie sei eine ‚Rechtsstaatspartei‘. Der Antrag für die heutige Aktuelle Debatte beweist – ich muss leider sagen: ein weiteres Mal –, dass Sie alles mit Füßen treten, was einen Rechtsstaat ausmacht. Ich will das auch belegen:

Erstens: Sie verachten die Unschuldsvermutung. Sie erklären in der Begründung Ihres Antrags jemanden zum ‚Hauptverdächtigen‘ im Fall Wittenberg. Und auf dem Flugblatt, mit dem Sie zu einer Demonstration am morgigen Samstag aufrufen, lassen Sie den ‚Verdacht‘ gleich weg und erklären, ‚der Täter‘ sei bekannt, aber auf freiem Fuß. Und sie schreiben, das Todesopfer sei ‚durch hemmungslose Schläge eines Syrers‘ gestorben.

Dass eine Partei und ihre Fraktion im Landtag einen Menschen öffentlich für schuldig erklären, ohne Ermittlungen und Gerichtsverfahren abzuwarten – das ist ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Zweitens: Sie wollen die Unabhängigkeit der Justiz brechen. Denn Sie brüsten sich in der Begründung Ihres Antrags, der ‚Druck der Straße‘ habe ‚die Regierungskoalition‘ im Falle des verstorbenen Kötheners ‚zu angemessenen Maßnahmen‘ bewegt. Dieser Satz ist eine Katastrophe. Denn es wäre das Ende unseres Rechtssystems – und ich möchte extra für Sie hinzufügen: das Ende deutscher Rechtstradition –, wenn ‚die Straße‘ das Handeln der Justizbehörden bestimmen würde. Und es ist eine bewusste Täuschung der Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie mit dieser Formulierung den Eindruck erwecken, das Handeln der Behörden werde ‚durch die Regierungskoalition‘ – also politisch – geleitet.

Das ist nicht wahr, und das wissen Sie.

Drittens: Sie missachten die Gewaltenteilung. Denn schon mit Ihren bisherigen Anträgen hier im Plenum und im Rechtsausschuss haben Sie versucht zu erreichen, dass der Landtag quasi durch politischen Beschluss Ihre Schuldthese übernimmt.

Und viertens: Sie schwächen gezielt die Strafverfolgungsbehörden, indem Sie zum Beispiel auf dem schon erwähnten Flugblatt behaupten, die Staatsanwaltschaft ‚blende‘ die Öffentlichkeit, und der Generalstaatsanwalt ‚täusche‘ den Rechtsausschuss mit falschen Informationen.

Das ist kein Einzelfall, das hat Methode.

Wenn es denn wenigstens tatsächlich die Empörung über die Folgen einer Gewalttat wäre, die die AfD zu solchen Äußerungen treibt, dann könnte man das ja möglicherweise noch als Überreaktion abtun. Aber diese Empörung spreche ich Ihnen ab.

Wenn es Ihnen nur darum ginge, Ihre Wut darüber zu äußern, dass jemand mit Gewalt aus unserer Mitte gerissen wird: Wo war diese Empörung, als Yangjie Li vergewaltigt, über Stunden gequält und ermordet wurde? Wo waren die Trauermärsche der AfD? Wo sind Ihre empörten Aktionen, wenn Deutsche von Deutschen getötet werden? Ich kenne keine

Und deshalb setzen Sie sich unweigerlich dem Verdacht aus, dass Ihre scheinbare Trauer nur in ausgesuchten Fällen zum Ausdruck kommt, wenn Sie nämlich meinen, einen Täter präsentieren zu können, der Ihren politischen und völkischen Vorstellungen entspricht.

Und weil das so ist, deshalb war auch die gestrige Distanzierung Ihres Abgeordneten Farle von ‚Thügida‘-Chef Köckert so fadenscheinig: Wer so redet und handelt wie Sie, der versucht den angeblichen ‚Rassenkrieg‘ ebenso herbeizureden wie der Neonazi Köckert.

Unser Rechtsstaat braucht keinen ‚Druck der Straße‘ und keine selbsternannten Ankläger im Parlament. Der Rechtsstaat braucht gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten, fähige Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und kluge Richterinnen und Richter.

Und es gibt noch etwas, was der Rechtsstaat braucht, sonst funktioniert er nicht. Ich nehme an, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, Sie kennen das Wort, aber ich fürchte, Sie wissen nicht, was es bedeutet: Der Rechtsstaat braucht Respekt.