Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat der Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, Armin Willingmann (SPD), heute eine Regierungserklärung zum Thema „Sachsen-Anhalt: Wirtschaft und Wissenschaft vernetzt“ gehalten. In der Debatte erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle:
„Die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und die Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik für unser Land – das ist ein lohnendes Thema, und es ist ein erfreuliches Thema, das zeigt: Sachsen-Anhalt ist besser als sein Ruf. Die positiven wirtschaftlichen Kennziffern zeichnen das Bild einer wachsenden Wirtschaft und eines deutlich entspannten Arbeitsmarktes.
Selbstverständlich ist diese gute wirtschaftliche Entwicklung Teil der insgesamt sehr starken und robusten Konjunktur in Deutschland. Aber das heißt ja nicht, dass wir uns damit nicht auseinandersetzen müssten. Sozialdemokratisches Verständnis von Wirtschaftspolitik ist es eben nicht, achselzuckend daneben zu stehen und zu sagen: ,Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht.‘
Sondern es muss uns doch darum gehen, die gegenwärtige Phase einer starken Konjunktur dafür zu nutzen, Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Damit unsere regionale Wirtschaftsstruktur noch leistungsfähiger und für die Zukunft weniger krisenanfällig wird. Damit sie sich noch stärker mit regionalen und überregionalen Partnern vernetzt. Und damit sie ihre Innovationsfähigkeit ausbaut und dabei die eigenen Stärken unseres Landes noch intensiver nutzt.
Ich habe mich über eine Passage in der Regierungserklärung besonders gefreut. Ich finde die Haltung, dass wir Äpfel nicht mit Birnen und das überwiegend ländlich geprägte Sachsen-Anhalt nicht mit angesagten Metropolregionen vergleichen dürfen, ausdrücklich richtig. Der Versuch, mit ,Benchmarks‘ alles über einen Leisten zu schlagen, hat schon in anderen Politikbereichen nicht so richtig funktioniert, weil er der vielfältigen Lebenswirklichkeit in einem föderal geprägten Land nicht gerecht wird. Der Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, muss in Sachsen-Anhalt nun mal mit anderen Instrumenten umgesetzt werden als in Baden-Württemberg – und in Halle anders als in Stuttgart.
Politik für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung – und das ist nicht nur Wirtschaftspolitik im engeren Sinne – muss sich daran messen lassen, ob sie sich zentralen Zukunftsfragen stellt. Zum Beispiel:
Wie begegnen wir drohendem Fachkräftemangel? Dafür müssen wir über ein ganzes Bündel von Faktoren reden, nicht zuletzt mit dem Bund und in den jetzt anlaufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin: über eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung über Schulgeldfreiheit für alle Ausbildungsberufe, wie es Petra Grimm-Benne in dieser Woche gerade für die Pflege thematisiert hat über ein Azubi-Ticket für mehr Mobilität und nicht zuletzt über Integration und Zuwanderung.
Wie machen wir mehr Mut für Existenzgründungen? Ich meine, gerade auf diesem Gebiet kann sich der Einsatz von Armin Willingmann ganz besonders sehen lassen. Was hier mit der Meistergründungsprämie und insbesondere auch beim Thema Firmenübergang auf den Weg gebracht wurde, findet unsere volle Unterstützung.
Und ganz besondere Beachtung findet natürlich – und zu Recht! – die Frage: Wie stellen wir die digitale Infrastruktur zur Verfügung, die jeder Wirtschaftsbetrieb heute braucht? Ich begrüße ausdrücklich das Bekenntnis des Ministers zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme und zu einer ebenso realistischen wie pragmatischen Kurskorrektur. Zieldaten, die weder finanziell noch technisch umsetzbar sind, helfen niemandem weiter. Wir werden aber alle gemeinsam, der Landtag ebenso wie die Landesregierung, bei diesem Thema weiterhin unter verschärfter öffentlicher Beobachtung stehen – nicht zuletzt deshalb, weil Breitbandversorgung eben bei weitem nicht nur ein Thema für die Wirtschaft ist. Breitbandversorgung wird immer mehr zu einer Frage von gleichwertigen Lebensverhältnissen.
Zu den Standortfaktoren, die wir noch stärker nutzbar machen sollten, gehört insbesondere auch die Innovationskraft unserer Hochschulen. Sie sind schon jetzt von großer Bedeutung für die heimische Wirtschaft: durch die Ausbildung von Fach- und Führungskräften, als Kooperationspartner in gemeinsamen Projekten, als Ideengeber und Berater.
Der Ansatz, der jetzt mit einem neuen Hochschulgesetz verfolgt werden soll, geht aber darüber deutlich hinaus: Es geht um die Möglichkeit einer Hochschule, unmittelbar selbst eigene Unternehmen zu gründen oder sich an bestehenden Unternehmen zu beteiligen. Diese geplante Gesetzesänderung zugunsten einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Hochschulen erleichtert es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erheblich, Innovationen am Markt zu platzieren, ohne den Raum ihrer Hochschule verlassen zu müssen und damit ihren bisherigen wissenschaftlichen Background zu verlieren.
Neben den ebenfalls geplanten Verbesserungen für die Arbeitsverhältnisse junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Hochschule entstehen damit auch andere Berufsperspektiven als die einer klassischen Universitätskarriere. Ich verspreche mir davon gute Chancen, mehr junge Akademikerinnen und Akademiker in Sachsen-Anhalt zu halten.
Das Jahr 2018 wird, den Eindruck muss man schon nach weniger als vier Wochen gewinnen, wieder ein sehr bewegtes Jahr. Es ist aber zugleich ein Jahr, in dem wir häufig Anlass haben werden, einen Blick in die Geschichte zu werfen, weil sich das Ende des Ersten Weltkriegs, die Novemberrevolution und die damit verbundenen Umwälzungen zum hundertsten Mal jähren. Diese Ereignisse haben unser Land, unsere Gesellschaft verändert und wirken bis heute fort.
Das betrifft keineswegs nur solche herausgehobenen Verfassungsfragen wie die Ausrufung der Republik und die Einführung des Frauenwahlrechts – es betrifft auch das Wirtschaftsleben und hier insbesondere das Verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.
Das Kaiserreich mit Sozialistengesetz und preußischem Dreiklassenwahlrecht – das hatte auch die patriarchale Macht der ,Fabrikherren‘ gegenüber ,ihren‘ Beschäftigten abgesichert. Mit der Novemberrevolution 1918 wurden die Grundlagen dafür gelegt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretungen den Eigentümern künftig auf Augenhöhe gegenübertraten.
Schon zwei Tage nach seiner Konstituierung verkündete der Rat der Volksbeauftragten, gebildet aus SPD und Unabhängigen Sozialdemokraten, in seinem Aufruf ,An das deutsche Volk!‘ die Einführung des Achtstundentages und die Aufhebung der Gesindeordnung. Drei Tage später erkannten die Arbeitgeberverbände die Koalitionsfreiheit der Arbeiterinnen und Arbeiter und die Gewerkschaften als deren Vertretung an und verpflichteten sich, betriebliche Arbeitsverhältnisse in Kollektivvereinbarungen zu regeln.
Gerade weil uns solche Regeln heute selbstverständlich erscheinen, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass sie hart erkämpft wurden. Und auch daran, dass sie – die Geschichte hat das gezeigt – nicht von sich aus ewigen Bestand haben.
Wir tun gut daran – gerade in einer Zeit, in der sich so viel ändert wie jetzt unter den Bedingungen fortgeschrittener Digitalisierung – uns die wirtschaftliche Realität und die gesetzlichen Rahmenbedingungen immer wieder darauf hin anzuschauen, ob auch jetzt und in Zukunft gewährleistet ist, dass Unternehmer und Arbeitnehmer sich auf Augenhöhe begegnen.
Klar ist: Billiglöhne kann sich in Zeiten des Fachkräftemangels eigentlich kein Betrieb mehr leisten. Aber Zufriedenheit und Produktivität hängen ja bei weitem nicht nur an der Höhe des Gehalts. Es geht genauso um gesunde Arbeitsbedingungen, um Arbeitszeitsouveränität und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Frage nach der Zukunft von ,Arbeit 4.0‘ wird sich unter den Bedingungen von ,Industrie 4.0‘ in neuer Schärfe stellen. Die Landesregierung hat diese Problemstellungen in ihrer Digitalen Agenda mit großer Klarheit benannt und entsprechende, auch bundespolitische Initiativen angekündigt, etwa zur Verfügbarkeit von Arbeitnehmern außerhalb der Arbeitszeit. Das begrüße ich nachdrücklich.
Unser sozialdemokratischer Ansatz, Wirtschaft und Arbeit zusammen zu denken, hat sich bereits in der Fortentwicklung der GRW-Förderung niedergeschlagen. Auch beim künftigen Vergabegesetz geht es darum, dass Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker zum Tragen kommen. Minister Willingmann macht damit vor, dass ein wirtschaftsfreundliches Klima und eine arbeitnehmerfreundliche Politik kein Gegensatz sein müssen.“