Landtagsdebatte zur Kinderbetreuung
25. August 2017

Späthe: Bedarf der Eltern nicht über den der Kinder stellen

Der Landtag von Sachsen-Anhalt debattiert in seiner heutigen Sitzung auf Antrag der Linksfraktion über die Forderung nach kostenloser Kinderbetreuung. In der Debatte setzt sich die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Verena Späthe, kritisch mit den jüngsten Vorschlägen auseinander, den Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung zu reduzieren und/oder den Elternbeitrag sozial zu staffeln:

„Wenn der Anspruch zwischen Berufstätigen und Nichtberufstätigen differenziert wird, wird der Bedarf der Eltern über den Bedarf der Kinder gestellt. Gerade Kinder aus prekären, sozial schwierigen Verhältnissen bedürfen der Betreuung durch die Fachkräfte in den Kitas, den sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen, um auch voneinander zu lernen. Durch die vorschulische Bildung in diesem Umfeld wird ihnen ein besserer Start ins Schulleben eröffnet. Sonst haben einige von den Kindern schon am ersten Schultag Perspektiven verloren. Wollen Sie das?

Einige hier im Raum erhoffen sich von der Kürzung des Ganztagsanspruchs auf acht Stunden eine finanzielle Entlastung. Dies wird aber nicht eintreten, wie wir wissen, denn das jetzt ermittelte Kostenvolumen bildet ja gerade eine Betreuung von 8,2 bis 8,4 Stunden ab. Der vermeintliche Einspareffekt tritt in einigen Fällen im Lebenslauf betroffener Kinder in Form von Kosten für Erziehungshilfe, Sozialhilfe, später Kosten der Unterkunft und ALG II wieder auf. Nur natürlich an anderer Stelle, zum Beispiel bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe – also in den Haushalten auch Ihrer Landräte. Wollen Sie das wirklich?

Die über den Ganztagsanspruch hinausgehenden, dann dazuzukaufenden Stunden belasten aber gerade den Teil der werktätigen Bevölkerung, der den üblichen Kitabeitrag selbst finanziert, überproportional. Wollen Sie das wirklich?

Elternbeiträge sozial zu staffeln, ist seit langem möglich und obliegt dem Satzungsrecht der Gemeinderäte. Und es hat seine Gründe, wenn das von den Kommunen nicht in Anspruch genommen wird. Jedes Jahr mit der Einkommenssteuererklärung oder dem monatlichen Lohnzettel zur Gemeindeverwaltung gehen zu müssen, um gestaffelte Beiträgen oder erweiterten Betreuungsumfang zu beantragen, ist ein mühsamer Verwaltungsaufwand. Wollen Sie das wirklich?

Würde das ins Gesetz aufgenommen, dann greift in Sachsen-Anhalt das Prinzip der Konnexität. Die Gemeinden melden ihren nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand beim Land an, und das Land muss zahlen. Schade um das Geld!

Zu unserem Vorschlag, Eltern ab dem zweiten Kind zu entlasten, las ich die Kritik, davon würden vor allem von Armut betroffene Alleinerziehende, die überdurchschnittlich oft nur ein Kind zu versorgen hätten, nicht profitieren. Natürlich nicht, weil wir diese nicht von etwas entlasten können, was sie gar nicht selbst bezahlen, sondern die örtlichen Träger der Jugendhilfe, also die Landkreise. Das meinen Sie nicht wirklich.“