Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion hat dazu aufgerufen, die Debatte über die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns nicht auf Nebenkriegsschauplätzen zu führen: „Es stimmt, das Parlament muss die Kontrolle zurück erlangen. Aber dabei geht es nicht um ein paar Beratungsleistungen, sondern um den Kern von Politik und Verwaltungshandeln.“
Dass Beraterverträge ab einer bestimmten Wertgrenze dem Finanzausschuss vorab vorgelegt werden müssen, ist eine Sonderregelung. Für andere Verträge gilt das nicht. Die Ursache liegt in der politischen Debatte des vergangenen Jahrzehnts, als verschiedenen Ressortchefs „Gutachteritis“ vorgeworfen wurde. Der Landtag zog mit seinem Beschluss eine Hürde ein, die eine allzu leichtfertige Vergabe von Beratungsaufträgen und Gutachten verhindern und Transparenz schaffen sollte.
Katja Pähle weist darauf hin, dass sich Verwaltungspraxis in Sachsen-Anhalt seither erheblich verändert hat: „Seinerzeit hatten die Abgeordneten den profilierungsbedürftigen Minister vor Augen, der mit renommierten Beratern sein Image aufpolieren oder mit einem Gutachten ein Politikfeld aufhübschen wollte.“ Im Kern ging es dabei um Einzelverträge.
„Die Verträge, über die jetzt gestritten wird, legen ein ganz anderes und viel größeres Problem offen“, sagt Pähle. „Es geht insbesondere beim Geschäftsbesorgungsvertrag des Finanzministeriums mit der Investitionsbank um die Erledigung hoch komplexer, mehrjähriger Aufgaben. Meist wurden diese Aufgaben vorher vom Ministerium oder von einer nachgeordneten Behörde selbst erledigt. Warum geschieht diese Verlagerung? Weil die Verwaltungen unter dem Eindruck der komplexen Anforderungen, der rigiden EU-Verwaltungsvorschriften und des Sparzwangs in Zeiten der Schuldenbremse nach Möglichkeiten suchen, sich von Aufgaben der Projektförderung, der Steuerung und des Controlling zu entlasten.“ Dass über die dazugehörige wissenschaftliche Begleitung auch das Thema „Beratervertrag“ ins Spiel komme, lenke von dem größeren Problem des Kontrollverlustes insgesamt ab.
Pähle: „Viel mehr als durch eine vorher nicht offengelegte Beratertätigkeit wird das Budgetrecht des Landtages durch komplexe Geschäftsbesorgungs- und Rahmenverträge selbst berührt. Große Teile des Verwaltungshandelns werden auf einen privatrechtlich verfassten Rechtsträger ausgelagert, der sich direkter parlamentarischer Kontrolle entzieht. Große Teile des Budgets werden nicht von Beschäftigten des Landes erledigt, sondern von Dienstleistern. Politik bleibt außen vor, obwohl es um handfeste Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen in Sachsen-Anhalt geht, etwa bei der Investitionslenkung in der Schulbaufinanzierung. Mittelfristig müssen wir umsteuern, so dass wieder die das Verwaltungshandeln steuern, die dafür gewählt wurden und Verantwortung tragen.“
Kurzfristig müsse jedoch auf die Tatsache reagiert werden, dass politische Steuerung ganz wesentlich über die Abfassung und Administration der entsprechenden Verträge ausgeübt werde. „Eine zeitgemäße Ausübung des Budgetrechts bedeutet deshalb: Der Landtag muss entscheiden, über welche dieser Verträge er künftig mitreden will“, so Pähle.