Internationaler Frauentag
8. März 2016

Katrin Budde: Wer Frauen von Chancen ausschließt, verzichtet auf ein großes gesellschaftliches Potential

Scharfe Auseinandersetzung mit politischen Konzepten der AfD

Bei der gemeinsamen Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion und des SPD-Landesverbandes zum Internationalen Frauentag erklärt die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der SPD, Katrin Budde:
 

Dass wir uns am 8. März treffen, ist

· erstens: gute Tradition und immer ein erfreulicher Anlass zu feiern,

· zweitens: immer wieder dringend notwendig, weil wir weit davon entfernt sind, volle Gleichstellung zwischen Männer und Frauen erreicht zu haben,

· und drittens: in diesem Jahr eine unverzichtbare Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die vor uns liegende Landtagswahl gerade für Frauen ist.

Den Internationalen Frauentag – eine originär sozialdemokratische Erfindung – begehen wir heute zum 106. Mal. Der Frauentag war immer ein Kampftag für gleiche Rechte von Frauen und Männern, und dieser Kampf war immer Teil unseres Einsatzes für gleiche Rechte und Chancen aller in der Gesellschaft.

Wir wissen: Eine Gesellschaft, die auf einen Teil ihres Potentials verzichtet, schwächt sich selbst. Eine Gesellschaft, die Frauen vom Wahlrecht ausschloss, konnte keine demokratische Gesellschaft werden. Eine Gesellschaft, die Frauen den Zugang zu höherer Bildung verweigerte, bliebe im Ringen um wissenschaftlichen und technischen Fortschritt zurück. Eine Gesellschaft, die Frauen vom Arbeitsmarkt ausschloss, konnte ihre Produktivität nicht entfalten.

Diese Ungleichheiten haben wir erfolgreich bekämpft. Aber heute leben wir immer noch in einer Gesellschaft, die Frauen und Männer ungleich behandelt. Die Frauen ungleich bezahlt. Die Frauen mittelbar von Vollzeitarbeitsplätzen und Karrierewegen ausschließt. Die Frauen aus Führungspositionen fernhält.

Von all diesen Schranken in der Gesellschaft gibt es viele Ausnahmen. Viele Frauen erkämpfen sich gleiche Chancen und tolle Karrieren. Viele von Euch hier im Saal sind hervorragende Beispiele dafür.

Aber es bleibt ein Wettstreit mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen. Mit Hindernissen für Frauen, die Männer nicht kennen. Und mit zusätzlichen Spielregeln, um die sich die meisten Männer nicht zu kümmern brauchen.

Und deshalb verzichtet die Gesellschaft auch heute immer noch auf einen wertvollen Teil ihres Potentials.

In Sachsen-Anhalt reichen die Unterschiede von unten bis oben. In den untersten Lohngruppen sind Frauenarbeitsplätze vorherrschend. Es sind gerade Frauen, für die wir den Mindestlohn erstreiten mussten, und deshalb ist dieser sozialdemokratische Durchbruch insbesondere auch ein frauenpolitischer Erfolg!

Und es sind gerade Frauenarbeitsplätze, die dafür sorgen, dass Sachsen-Anhalt ganz unten in der Lohnskala steht. Weil Frauenarbeitsplätze allzu oft unfreiwillige Teilzeitarbeitsplätze sind, die auch eine geringere Grundentlohnung erhalten. Und deshalb ist unser Kampf gegen das Billiglohnland Sachsen-Anhalt insbesondere auch ein Kampf für gleiche Chancen und Perspektiven für Frauen – und für ein selbstbestimmtes Leben ohne ökonomische Abhängigkeit!

Und auf den oberen Plätzen in der Hierarchie, da sieht es nicht besser aus. Eine Landesregierung mit nur einer Frau – das ist ein schlechter Witz, auch wenn es eine so starke Frau ist wie Angela Kolb-Janssen. Deshalb bleibe ich dabei, auch wenn die Umstände widrig sind, dass es ein starkes Signal – und ein großer Fortschritt – wäre, wenn Sachsen-Anhalt eine erste Ministerpräsidentin erhalten würde.

Man hat mir in den letzten Tagen oft geraten, den Anspruch aufzugeben und kleinere Brötchen zu backen. Ich weiß nicht, ob man das auch einem Mann raten würde. Ich vermute nein.

Ich weiß aber eins: Frauen, die Ansprüche aufgeben, geben sie für alle Frauen auf. Das ist nicht der Geist des Internationalen Frauentages. Und das ist nicht mein Geist!

Wir sind in diesen Wahlkampf gestartet auch mit dem Ziel, in der nächsten Wahlperiode mehr rauszuholen für Frauen in Sachsen-Anhalt. Jetzt sehen wir uns damit konfrontiert, dass es einen scharfen Angriff gibt auf die Rechte und die Zukunftschancen von Frauen.

Die Kandidatur der AfD wird von vielen Wählerinnen und Wählern als Ein-Punkt-Kandidatur betrachtet: gegen Flüchtlinge. Und viele, die sich vorstellen können, die AfD zu wählen, betrachten das offenkundig als Protest, gegen Flüchtlinge oder gegen ‚die da oben‘ oder beides.

Die AfD ist aber eine durch und durch rechte, völkisch-nationalistische Partei mit einer Ideologie, die auch für Frauen Rückschritt, ja den Rückfall in alte Zeiten bedeutet:

· Die AfD sorgt sich in ihrem Programm um die Fruchtbarkeitsrate der sachsen-anhaltischen Frauen. Wir dürfen uns also eine Mutterkreuzpolitik erwarten, die zu dem biologistischen Menschenbild dieser Partei passt!

· Die AfD will allen politischen Initiativen für Gleichstellung den Garaus machen.

· Die AfD lehnt die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit ab, damit Unternehmen mehr ‚Auswahl‘ haben – und wir wissen alle, welcher Teil einer Belegschaft bei Arbeitsplatzabbau zuerst in diese „Reserve“ für die Unternehmer abgeordnet wird!

· Die AfD will staatlich gelenkte Medien und eine Kulturpolitik, die der ’nationalen Identität‘ dient – und die historische Erfahrung lehrt: Wenn nach dem Vaterland gerufen wird, dann sind Mütter nur dazu da, Söhne als Kanonenfutter zu liefern.

Das sind nur vier Beispiele dafür, dass wir alle Frauen dazu motivieren müssen, in ihrem eigenen Interesse zur Wahl zu gehen und demokratische Parteien zu wählen. AfD und Pegida schwingen sich zwar gerne zu Verteidigern der deutschen Frau gegen den Islam auf. Aber mit unserem Verständnis von Gleichberechtigung und mit einer freien Gesellschaft mit selbstbewussten Frauen hat das nichts zu tun!

Ich freue mich ganz besonders, dass Andrea Nahles zu uns gekommen ist – nicht zum ersten Mal in diesen Wochen. Denn Arbeitsmarktpolitik, das wissen wir alle, ist praktische Gleichstellungspolitik. Rentenpolitik übrigens auch. Und darum sei uns heute besonders herzlich willkommen!